Tourismus: die Entdeckung der Berge (2)

Wie alles beginnt (1765 – 1880)
Der Startschuss für den heutigen Tourismus in Tirol und den Alpen fällt mit dem Beginn der Industriellen Revolution in England gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Städte erfahren ein rasches Wachstum, erste Industriegebiete entstehen, Arbeiten und Wohnen werden voneinander getrennt. Vom modernen Tourismus ist man noch weit entfernt – die wenigen Touristen gegen Ende des 18. Jahrhunderts beschränken ihren Aufenthalt auf einige Destinationen in der Schweiz, allen voran Chamonix, Zermatt oder Grindelwald.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durchkämmt eine wachsende Schar von Forschern und Bergsteigern die Alpen, indem sie vermessen, zeichnen, Karten anfertigen, Pflanzen und Tiere erkunden, geologische Proben entnehmen, neue Wege über Gipfel und Jöcher suchen. Diese Forschungsarbeit wird in der Öffentlichkeit interessiert wahrgenommen und die Erkenntnisse über die Westalpen schreitet damit zügig voran (vgl. Gidl 2007, 19). Ausgehend von der Westschweiz dehnt sich diese Form des Tourismus zunehmend nach Osten hin aus.

Konservative & liberale Ansichten
Der aufkommende Tourismus ruft seine Kritiker und Befürworter auf den Plan. Von ersteren wird der Tourismus zugespitzt als „Monokultur“ bezeichnet, durch welche das Tiroler Volk seine Eigenart verliert und nur mehr auf finanziellen Gewinn aus ist. Es wird bemängelt, dass die Preise für bestimmte Dinge in die Höhe getrieben werden und aus „früher“ idyllischen Plätzchen überfüllte Kurorte geworden sind, an denen der Einheimische nicht unbedingt geduldet wird. Die konservativ-kritischen Ansichten richten sich auch gegen den Deutschen und Österreichischen Alpenverein. Die Aktivitäten der Vereine werden als „preußisch“ bezeichnet, in den Schutzhütten, die damals errichtet werden, sah man die Möglichkeit zur Spionage. Auch die für den Sonntag angesetzten Bergtouren, die den Besuch der Messfeier unmöglich machen, werden von konservativer Seite kritisiert.
Die „Liberalen“ hingegen vertreten die Meinung, dass der Fremdenverkehr für viele Gebiete Tirols die einzige wirklich ergiebige Einnahmequelle ist, welche die Bevölkerung von der Abwanderung stoppen kann. Prinzipiell müssten die Einheimischen die Nachteile des Fremdenverkehrs hinnehmen, weil verschiedene Gewerbe und die Landwirtschaft vom Tourismus profitierten. Konservative Zeitungen („Neuen Tiroler Stimmen“), so die Forderung der Liberalen, müssen eine negative Berichterstattung über den Fremdenverkehr unterlassen. Auch über Ereignisse, die dem Fremdenverkehr schaden könnten (z. B. Steinschlag, frühe Schneefälle, usw.), sollte nicht geschrieben werden, um den Gast länger im Tal zu halten.

Die geistlich-christliche Position zum Fremdenverkehr
Der Brixner Fürstbischof Simon Aichner schreibt im Jahre 1896 in einem Hirtenbrief über die negativen Aspekte des neuen Wirtschaftszweiges Fremdenverkehr. Der Bischof kann dem Fremdenverkehr auch positive Aspekte abgewinnen, sodass er den skeptischen Ansichten der Konservativen nur teilweise beipflichtet. Eine Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten aus dem Pustertal, die man zu den Förderern des Fremdenverkehrs rechnen muss, kommen zu dieser Zeit aus dem christlich sozialen Lager, so der Brunecker Bezirkshauptmann Ebner, das Mitglied des Tiroler Landesausschusses Freiherr Paul von Sternbach und Dr. Johann Schorn, Ehrenbürger von Sillian und beruflich und politisch sehr eng mit dem Pustertal verbunden.


Martin Niederkofler
Martin Niederkofler

Veröffentlicht am 21. November 2016